High-Fidelity

Sinn, Unsinn oder Voodoo

pladdespieler     dance with me

Wer sich einen BMW kauft, der soll auch für die Inspektionen blechen. Wer sich eine Stereoanlage für ein paar zehntausend Mark kauft, der soll gefälligst auch Geld für Zubehör ausgeben. Jedem, wie es ihm gefällt. Ist ja schließlich nicht mein Geld, was mache ich mir eigentlich Gedanken darüber. Und das einzige, was da wirklich klingt ist die Kasse des HiFi-Händlers. Grundsatzdiskussionen über Audio- und Lautsprecherkabel, Bambuskondensatoren und Akku-Netzteile kochen immer wieder in den Audioforen hoch und muten mehr wie Voodoo oder Austreibungsrituen an.

Hören ist einer der menschlichen Sinne und nicht jeder hört gleich. Auch wandelt sich das Gehör eines jeden im Laufe der Zeit und paßt sich den gegebenen Situationen an. Gewiß gibt es "Goldene Ohren", aber die sind sicher in der Minderheit. Nicht zuletzt ist Hören einer der subjektivsten Sinne, die der Mensch hat. Was dem einen sein Ghettoblaster ist dem anderen seine Stereoanlage im Gegenwert eines guten Mittelklassewagens. Sei es ihm gegönnt. Aber es kursieren so viele Halbwahrheiten in der Szene, daß man als Elektroniker heulen könnte, wenn es stellenweise nicht so lächerlich wäre.


Halbwahrheit Nummer 1: Das Netzkabel hat einen Einfluß auf den Klang

Was sind die anderthalb Meter Netzkabel im Vergleich zu den tausend Kilometern Erdkabeln, Masten, Transformatoren, Verteilern, Sicherungen und Steckdosen dazwischen? Garnichts. Der passende Strom für die HiFi-Komponenten wird im Netzteil erzeugt und nirgendwo sonst! Hat die Netzzuleitung wirklich einen hörbaren klanglichen Einfluß, dann ist das Netzteil wohl eher der Sündenbock und nicht das Netzkabel. Eine übliche Hausinstallation ist mit 1,5mm² solider Kupferleitung für 28 Pfennig pro Meter ausgeführt. Sicher tut man gut daran, seine gesamte Stereoanlage über eine einzige Steckdose anzuschließen und eine Verteilersteckdose mit mindestens dem gleichen Adernquerschnitt von 1,5mm² zu verwenden. Ein gewöhnliches Hausnetz ist dafür ausgelegt, einen Nennstrom bis 16A zu liefern, ohne daß die Spannung nennenswert zusammenbricht, d.h. bevor die Sicherung diesem Spiel ein Ende bereitet. Und Spannungsschwankungen sind an der Tagesordnung. Es kann auch nicht schaden, ein zusätzliches Netzfilter mit max. 16A Nennstrom und Überspannungsschutz in die Zuleitung zu den HiFi-Komponenten einzubauen. Es spielt unter keinen Umständen eine Rolle, ob ich den Verstärker an die erste oder letzte Dose der Verteilerleiste anschließe, wie in einigen HiFi-Foren des öfteren zu lesen ist. Die unterschiedlichen Laufzeitverzögerungen durch die "nicht ganz" sternförmige Verdrahtung zu den Komponenten bewegen sich in höchstens meßtechnisch zu erfassender Höhe. Versprochen! Und der Spannungsabfall auf einer Strecke von max. 30cm innerhalb einer Verteilerleiste ist vernachlässigbar. Wenn man einen Unterschied zwischen verschiedenen Netzleitungen hört, dann sind es ganz sicher die Unzulänglichkeiten der Netzteile. Oder Voodoo.

Halbwahrheit Nummer 2: Abgeschirmte Netzkabel

Ein ganz anderes Thema ist die Abschirmung der Netzleitung. In herkömmlichen HiFi-Geräten gibt es aus gutem Grund keinen Schutzleiter, eben weil die Geräte mit der Schutzmaßnahme Schutzisolierung gebaut sind. Die Primärseite eines meist vorhandenen Schaltnetzteils (in Videorecordern und CD-Playern) ist aus Sicherheitsgründen mit sogenannten Ableitkondensatoren mit dem Gehäuse des Gerätes verbunden. In diesem Fall spielt die Polung des Netzsteckers in der Dose womöglich tatsächlich eine Rolle. Weder ein vorhandener Schutzleiter noch das über Ableitkondensatoren mit der Netzseite verbundene Gehäuse haben etwas mit der Signalmasse zu tun. Das heißt, es sollte eigentlich nicht so sein. Der einzige echte Masse-Bezugspunkt ist die Schaltungsmasse an den Ladekondensatoren des Netzteils. Aus diesem Grund sind auch die Buchsen vom Gehäuse isoliert eingebaut. Hat das Gerät doch einen Schutzleiter, dann ist das Gehäuse fest mit ihm verbunden. Eine abgeschirmte Netzleitung macht wirklich nur Sinn, wenn sie einseitig an der Geräteseite HF-dicht fest mit dem Gehäuse verbunden ist. Wenn die Verbindung am Gerät gesteckt ist, dann ist der Schirm im Stecker mit dem Schutzleiter verbunden, was nebenbei gesagt, unzulässig ist. Eine HF-dichte Verbindung ist das nicht. Entweder macht man so etwas konsequent mit MIL-Steckverbindern oder garnicht. Aber auch hier gilt wieder: wenn HF-Störungen den Weg in das Gehäuse und durch das Netzteil hindurch in die empfindliche HiFi-Schaltung nehmen können, dann ist das vom Hersteller schlecht designte Netzteil daran schuld, nichts anderes. Übrigens macht ein oben erwähntes Netzfilter nur wirklich Sinn, wenn es nahtlos in eine vorhandene Abschirmung miteinbezogen wird.

Halbwahrheit Nummer 3: Die leidige Verkabelung

Wahr ist, daß man Audio- und Netzleitungen nicht parallel laufen lassen, sondern sich möglichst rechtwinklig kreuzen und mit großem Abstand voneinander verlaufen lassen sollte. Dem kann man voll und ganz zustimmen. Wahr ist auch, daß es klangliche Unterschiede zwischen verschiedenen Kabeln gibt. Dem kann und will ich nicht widersprechen. Was gibt es sonst noch?

Der Skineffekt ist ein allerortens ins Feld geführtes Verkaufsargument für überteuerte Kabel. Hier die unumstößlichen physikalischen Gegebenheiten:

Skineffekt

Im Gegensatz zu Gleichstrom, der durch den gesamten Querschnitt eines Leiters fließt, nutzt Wechselstrom hierzu nur einen dünnen Bereich entlang der Oberfläche. Von der Oberfläche des Leiters zur Mitte hin fällt die Stromdichte exponentiell ab. Bei der kritischen Tiefe (auch Eindringtiefe genannt) ist die Stromdichte auf das 1/e = 1/2,718 = 0,368-fache der Stromdichte an der Oberfläche abgefallen. Dieser Wert hängt von der Betriebsfrequenz, der Permeabilität der Leiters sowie seiner Leitfähigkeit ab.

Der spezifische Widerstand (also die Leitfähigkeit) für Kupfer beträgt 0,0178 Ohm*mm²/m. Bei einer einzusetzenden Frequenz von 0,02MHz (also 20kHz) beträgt die äquivalente Leitschichtdicke 0,47mm. Das bedeutet im Klartext: hat die Einzelader eines vieladrigen Leiters keinen größeren Durchmesser als 0,94mm, dann tritt kein wirklich nennenswerter Skineffekt auf. Und so dicke Kabel wollen wir doch nicht verlegen, oder? Alles andere sind Märchen. Und wer jetzt sagt, dann nehme ich doch einfach Silber, ist ja der Verkaufsrenner, der kann noch einmal nachrechnen: der spezifische Widerstand für Silber beträgt 0,0164 Ohm*mm²/m. Weder die Verwendung von versilberten Kupferkabeln noch Leitungen aus Reinsilber haben also einen nennenswerten Einfluß auf den Skineffekt bei diesen unseren HiFi-Frequenzen und sind ein reiner Marketing-Gag.

Wahr ist, daß es nur wenige wirklich gute "echte" Kabelhersteller gibt. Auf Anhieb fallen mir da die Firmen Belden, Bedea, Brand Rex, Alpha, Van Damme und Klotz ein. Diese forschen sehr intensiv und beliefern auch die Militärindustrie. Mal ehrlich, warum sollte das Militär gute Steuergelder für schlechte Kabel ausgeben? Werden doch modernen MIL-Geräte gegen alle nur denkbaren Einflüsse von außen "gehärtet". Da machen im Besonderen die Kabel keine Ausnahme. Eine 100m-Rolle solchen Kabels kostet 500 Märker und mehr, aber vielleicht kann man sich die Kosten ja mit ein paar HiFis teilen, die auch wirklich tolle Kabel wollen. Nichts anderes macht zum Beispiel die Firma püllmanns GmbH aus Köln, die ein Paar 35cm lange konfektionierte Stereokabel in einer Edelholzschatulle inklusive 30-seitigem Meßprotokoll und Bedienungsanleitung! für den Gegenwert eines gebrauchten katalysatorfreien Kleinwagens unter die Leute bringt. Das nenne ich Kostenteilung. Wie gesagt: wers braucht!

Kurzanleitung: Lötstation und Silberlot besorgen, löten lernen, gute Stecker und gutes Kabel (RG58-C/U nach MIL-STD tuts auch) einkaufen, ausprobieren und hören. Alles andere ist zum Fenster rausgeschmissenes Geld.

Wahr ist, daß vergoldete Stecker etwas bringen. Aber nur, wenn auch die Buchsen vergoldet sind. Gold auf Gold ist das einzige, das etwas bringt. Stecker Gold auf Buchse Nickel oder Chrom ist absolut unsinnig. Gold leitet bei Audiofrequenzen nicht besser oder schlechter als Lötzinn. Die Goldbeschichtung dient nur der Verhinderung von korrosionsbedingten Erhöhungen des Übergangswiderstandes.

Wahr ist, daß die HiFi-Industrie einen großen Bogen um symmetrische Audioschnittstellen macht. Seit Jahrzehnten in der professionellen Audiotechnik on Stage, in Studio, Theater, Rundfunk und Fernsehen bewährt, haben sie immer noch keinen nennenswerten Weg in die teuren HiFi-Geräte gefunden. Zumal die Schaltungstechnik dazu die Geräte, wenn überhaupt, nur unwesentlich teurer machen würde und endlich diese unsäglichen Cinch-Buchsen, auch RCA genannt, aus den Geräten verbannen würde und uns längere Leitungswege und eine super Störspannungsunterdrückung bescheren würden. Aber das ist wohl nicht beabsichtigt. Nebenbei gesagt haben Cinch-Stecker nicht einmal eine definierte Impedanz. Ein Bananenstecker wäre genauso gut oder schlecht.

Wahr ist, daß ein Kabel eine bestimmte Betriebsrichtung haben kann, wenn die Stecker unterschiedlich beschaltet sind, der Schirm zum Beispiel nur an einer Steckerseite angeschlossen ist. Völliger technischer Schwachsinn ist es aber, einem stinknormalen Kabel (sorry, auch wenns teuer war) eine Vorzugsrichtung zu geben. Mikrokristalline Strukturen hin oder her, diese haben in beide Richtungen genau denselben guten oder schlechten Einfluß auf den Elektronenfluß; eben weil sie amorph, das heißt gestaltlos sind. Den Elektronen ist es völlig egal, in welche Richtung sie durch den "Nebel" fliegen; zumal es sich um Wechselspannung handelt. Die Elektronen fließen also durch dasselbe Kabel hin UND zurück. Eine Richtungsangabe macht also überhaupt keinen Sinn.

Wahr ist, daß Kabel Rauschen erzeugen. Das tun sie unter anderem durch den sogenannten triboelektrischen Effekt und zusätzlich besonders bei teflonisolierten Kabeln durch den piezoelektrischen Effekt. Wenn man ein Kabel bewegt, dann entsteht durch die Reibung des Dielektrikums an Innen- und Außenleiter eine Ladungstrennung, die einen Fehlerstrom erzeugt. Dieser Strom bewegt sich bei Low-Noise-Kabeln in der Größenordnung von 10-10 bis 10-15A und spielt lediglich in der Meßtechnik eine Rolle, sicher nicht bei Signalen im Volt-Bereich. Piezoelektrische Ströme entstehen, wenn einige Keramiken und andere kristalline Materialien sowie Kunststoffe wie Teflon, mechanischen Belastungen ausgesetzt werden. Auch diese bewegen sich in einer Größenordnung von 10-12 bis 10-15A und sind - ohne zehntausende Mark für entsprechende Meßtechnik auszugeben - nicht einmal meßbar. Und ganz, ganz sicher nicht hörbar. Um beide Effekte zu minimieren, sollte man keine teflonisolierten Kabel einsetzen, sondern solches mit einem Polyethylen-(PE)-Dielektrikum. Dann ist auch nichts mehr vom Kabel "hörbar";)

Was es sonst noch über Audio-Kabel zu sagen gibt, findet man hier. So, jetzt habe ich mich abreagiert, höre gute Musik auf meiner Anlage und erfreue mich daran.



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last update: 25.09.2002 home  back  top